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One for the Road

Während sich Deutschland an der Cannabis-Legalisierung abmüht, scheint ein altes Sucht-Thema weiterhin tabuisiert zu bleiben: Alkoholismus. Diese Sucht ist weit verbreitet, aber die übliche Meinung, dass ein Alkohol, gerne auch in großen Mengen, auf jeden Fall zum „Feiern“ dazu gehört, und ab und zu ein bisschen über die Stränge zu schlagen problemlos akzeptiert wird, sollte längst ernster genommen werden. Wieso? Das zeigt nun auch der Spielfilm „One for the Road“ auf ungeschönte Weise.

Marc hat schon lange ein Problem, möchte es sich aber nicht eingestehen oder sieht es selbst noch nicht als solches an. Er trinkt Alkohol. Täglich. Viel davon. Zum Entspannen. Gegen Stress. Weil es ihm gut geht. Weil es ihm schlecht geht. Ein Grund findet sich immer. Nach einer durchzechten Nacht möchte er nur sein Auto vernünftiger Parken und setzt sich hinters Steuer. Gerade in dem Moment wird er von der Polizei kontrolliert und verliert seinen Führerschein. Da er eine Trunkenheitsfahrt hinter sich hat, muss er sich in einem Kurs auf die „Medizinisch-Psychologische-Untersuchung“ (MPU) vorbereiten, um seinen Führerschein zurück bekommen zu können. Mit ihm im Kurs sitzen viele andere Menschen mit einem Alkoholproblem, die THC-Gruppe trifft sich „weiter den Gang runter“. Die meisten von ihnen sehen es als Strafe, diesen Kurs absitzen zu müssen, weil sie es ungerecht finden, dass sie dieses eine Mal, an dem sie ausnahmsweise etwas getrunken haben, kontrolliert wurden. Marc geht es genauso. Der Lehrgangsleiter, Dr. Blau, war jahrelang selbst alkoholkrank und hat nach einem Entzug begonnen, achtsamer zu leben und trainiert regelmäßig für den Halbmarathon. Mit seinem besten Freund wettet Marc, dass er vom Alkohol loskommt. In Helena, die mit Marc den MPU-Kurs besucht, findet er die Unterstützung, die er braucht, um die Wette zu gewinnen. Oder doch nicht? Wie lange wird Marc durchhalten können und wie wird es danach weiter gehen? Helfen sich Marc und Helena wirklich gegenseitig oder ziehen sie sich nicht nur gegenseitig runter?

Der Film liegt auf DVD in der deutschen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor, wahlweise gibt es englische Untertitel. Extras gibt es auf der Silberscheibe keine.

Regisseur Markus Goller und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg haben mit „25 km/h“ beachtliche Erfolge gefeiert und haben sich für „One for the Road“ erneut zusammen gefunden, um diesen alles andere als stimmungserhellenden Film zu drehen. Großartig wird die Hauptrolle des Marc von Frederick Lau gespielt, dem man jede Emotion in diesem Streifen sofort abnimmt. Nichts scheint übertrieben oder falsch, Lau durchlebt das Schicksal des Marc und wird ganz zu seiner Figur. An seiner Seite spielt Nora Tschirner die Helena, die schon länger den hohen Alkoholkonsum als Krankheit erkannt hat, deswegen aber auch nicht weniger als Marc trinkt, und Männer nur zum Sex mit nach Hause nimmt. Die beiden Kursteilnehmer scheinen sich zunächst gut zu tun, zu helfen, zu verstehen, doch können sie ebenso gut miteinander abstürzen, sich volllaufen lassen, Spaß haben. Sind sie vielleicht doch nicht so gut für einander, wie sie anfangs glauben?

„One for the Road“ erzählt eine authentische, ergreifende Geschichte aus dem Leben, die wenige humorvolle, dafür umso mehr nachdenkliche und erschreckende Momente bietet. Dieser außergewöhnliche Film zeigt nüchtern und fast schon brutal auf, was Alkohol aus Menschen macht, wie normal Alkoholkonsum in unserer Gesellschaft ist und wie schwierig es sein kann, anderen zu vermitteln, dass man keinen Alkohol trinken möchte. Ungeschönt wird gezeigt, was Alkohol für den Körper, aber auch für die Verantwortung im täglichen Leben bedeutet, wenn man seinen Aufgaben nicht mehr vernünftig nachgehen kann, wenn man Fehler macht, die großen Schaden anrichten. Ebenso wird gezeigt, wie „normal“ Alkoholkonsum längst geworden ist, dass die Menschen ihr Recht auf den Rausch einklagen, und diese Zustände dann auch gerne in fröhlichen Liedern, die dazu gegrölt werden können, gefeiert werden.

„One for the Road“ ist nicht leicht anzusehen und der Film bereitet Zuschauern mitunter auch Schmerzen beim Zusehen, aber genau das soll er auch, nein, er muss es auch. Dieser Film sollte Pflicht an allen Schulen werden, denn er muss gesehen werden. Vor allem um klar zu machen, wie gefährlich diese anerkannte Droge ist, was sie alles kaputt machen kann, und dass „Aufhören“ nicht einfach so klappt, nur weil man es sich jetzt vorgenommen hat. Dass Alkoholmissbrauch, wie er in vielen Haushalten gepflegt wird, eine Krankheit ist, die behandelt werden muss, und die jedes Jahr großen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht.

Es ist nicht der erste Film über Alkoholsucht und Alkoholmissbrauch, da gab es schon jede Menge davor. Doch hier wird anhand eines Bauleiters und einer Grundschullehrerin gezeigt, dass die Probleme mitten in der Gesellschaft stecken, und nicht nur Menschen am äußeren Rand.
Drebuch, Inszenierung, Besetzung, alles ist großartig an diesem Film, und machen „One for the Road“, der seine Weltpremiere beim Filmfest München 2023 feierte, zu einem ganz besonderen Film, der jede Beachtung verdient hat!

Pascal May