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The Young Pope - Staffel 1

Vermutlich wird der italienische Filmemacher Paolo Sorrentino für seinen Ausflug ins TV-Serien-Fach in die Hölle kommen, doch damit wird er sicherlich gerechnet haben, als er die Drehbücher zu dieser außergewöhnlichen Serie geschrieben hat, und diese auch gleich inszeniert hat. Die Eigenproduktion "The Young Pope" von Sky Italien, die in Zusammenarbeit mit HBO und Canal+ entstand, sorgte schon vor der ersten Ausstrahlung für reichlich Gesprächsstoff. Bei der Premiere waren gleich mehrere Skandale perfekt.

Pius XIII. ist der jüngste und erste amerikanische Papst aller Zeiten, mit gerade 47 Jahren wurde er an die Spitze der Katholischen Kirche berufen. Allein diese beiden Attribute würden den Vatikan aufrütteln, doch ist dieser Papst ganz anders als seine Vorgänger. Er erlaubt sich Späße mit seinen Kardinälen, möchte nicht fotografiert oder anderweitig abgebildet werden, möchte die Kirche zu ihren Ursprüngen zurück führen, setzt eine Nonne als seinen Privatsekretär ein und ist Kettenraucher. Für seine Anhänger ist er ein Heiliger, der zu Wundern fähig ist, selbst wenn oder gerade weil sie erkennen, dass er auch nur ein Sünder ist, der überheblich und eitel, eben auch nur ein ganz normaler Mensch ist.

Die zehn Teile der ersten Staffel liegen auf vier DVDs in der deutschen und der englischen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. An Extras finden sich die Featurettes "Glaube und Zweifel" und "Lenny Belardo - Pius XIII." sowie ein Making Of.

Dieser Papst, von dem man nur im Zusammenhang mit einer narzistischen Persönlichkeitsstörung reden kann ("Ich weiß, dass ich unfassbar attraktiv bin"), legt sich mit jedem an. Egal, ob es dabei um seine Kardinäle oder Staats- und Regierungschefs geht. Er verweigert sich jeder Regel und jedem Protokoll, weil er es kann, legt keinen Wert auf Zusammenarbeit und nutzt sein Gefolge aus, wie es ihm am meisten nutzt. Ausgerechnet dem italienischen Premierminister scheint er den Krieg erklärt zu haben und hält dabei auch nicht hinter dem Berg, als er ihm in einem sehr offen geführten Gespräch droht. Lügen, Intrigen, Sex in jeder Form, aber auch Mord und Unzucht sollen im Vatikan an der Tagesordnung sein, zumindest will es uns "The Young Pope" weißmachen.

Ob die Produktion von "The Young Pope" Unterstützung des Vatikans oder der Katholischen Kirche erfahren hat, ist anzuzweifeln, da das Hauptziel dieser Serie zu sein scheint, seine Zuschauer zu brüskieren, zu schockieren und im Glauben zu erschüttern. Allein die erste Folge ist eine einzige Provokation, danach bekommt man einen unnachgiebigen und strengen Papst zu sehen, der keinen Konflikt scheut, der entzweit statt zu versöhnen ("Ich bin der junge Papst. Ich gebe nicht das Geringste auf Konsens"), der jede Reise verweigert, der alle homosexuellen Priester aus der Kirche verweist, der keinerlei Nächstenliebe oder Empathie zeigt. Als Waisenkind aufgewachsen sucht er noch immer nach seinen Eltern, und in diesem Trauma lässt er alle Pflichten und Aufgaben liegen.

Um Genauigkeit kann die Produktion in der Recherche nicht wirklich bemüht gewesen sein, da zahlreiche Ungenauigkeiten gezeigt werden. Mit der Wirklichkeit im Vatikan hat diese Serie ohnehin nichts zu tun, hier wird eine Geschichte aus einem Parallel-Universum gezeigt, angereichert durch skurrile und surreale Bilder, die nur schwer zu ertragen sind, soweit sie überhaupt verstanden werden können.
Äußerst gelungen ist hingegen die Besetzung, die Jude Law als Papst Pius XIII. und eine wundervolle Diane Keaton als Schwester Mary zeigt.

Vielleicht mag es ja im Trend sein, sich gegen die Kirche, vor allem die Katholische Kirche zu stellen oder gegen diese Institution zu sein, doch besonders originell ist es nicht, einem Papst zuzusehen, der bei der Heiligen Mutter Maria Wunder einfordert oder offen seine Zweifel an der Existenz Gottes formuliert oder erklärt "Ich bin ein Feigling. Wie alle Priester".
Besonders kunstvoll ist das ebenso wenig, was es erst recht unverständlich macht, wieso bereits eine zweite Staffel von "The Young Pope" bestellt wurde.

Um diese Serie ansehen zu wollen, muss man entweder ungläubig oder felsenfest im Glauben verankert sein, wobei man bei Letzterem nicht mehr aus dem Kopfschütteln heraus kommen wird.
Der große Wurf, von dem im Zusammenhang mit der Erstausstrahlung von "The Young Pope" immer geredet wurde, ist diese Serie jedenfalls nicht.

Pascal May
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