Artikeldienst Online

Filmfest München 2015

Vieles war wie immer, aber bei manchen Dingen hat sich das Team um Filmfest-Chefin Diane Iljine etwas einfallen lassen, was natürlich auch am deutlich aufgestockten Budget liegt, über das das Filmfest, das 2015 bereits zum 33. Mal veranstaltet wurde, nun verfügt. Vor allem war eines neu: das Filmfest dauerte in diesem Jahr erstmals einen Tag länger als sonst!

In diesem Jahr liefen insgesamt 179 Filme aus 54 Ländern, darunter aus China, Belgien, Korea, Jordanien, Kolumbien oder Trinidad und Tobago. Im vergangenen Jahr waren es noch 158 Filme aus 51 Ländern. War es im vergangenen Jahr das Fest der starken Frauen, dominierten 2015 wieder die Männer das Geschehen auf der Leinwand.
Besonders beliebt waren in diesem Jahr die 18 deutschen Fernsehfilme, ebenso wie die 18 deutschen Kinofilme, wobei erstmals kein "Tatort" und kein Bayern-Krimi auf dem Festival zu sehen war. Dafür gab es Filme aus der jüngeren und jüngsten deutschen Geschichte, die hoch im Kurs standen, darunter das Fernseh-Juwel "Der Fall Barschel". Dieser Zweiteiler, der neue Theorien zu den Todesumständen des schleswig-holsteinischen Politikers beleuchtet, hat es trotz seiner Gesamtlaufzeit von 180 Minuten geschafft, an einem Sonntag Morgen um 10 Uhr den Kinosaal mit 352 Plätzen zu füllen. Ähnliche Publikums-Magneten waren die deutschen Produktionen "Alki Alki" über Alkoholkranke, "Meister des Todes" über die moralischen Schwierigkeiten von Waffenherstellern, "Leberkäseland" über türkische Einwanderer in der jungen Bundesrepublik oder "Heil", in der die Neonaziszene vorgeführt wird. Deutscher Film und Science-Fiction mag auf den ersten Blick nicht wirklich zusammen passen, doch das Gegenteil beweist "Boy 7", ein herausragender Streifen mit hochspannender Geschichte und einer großartigen Besetzung. In "Becks letzter Sommer" spielt ein herausragender Christian Ulmen einen Lehrer fernab von Klamauk und einer tiefer gehenden Story. "Die Kleinen und die Bösen" mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle eines Bewährungshelfers war eine der wenigen Komödien auf dem Filmfest. Besonders erfrischend und rundherum anders und somit eine echte Überraschung im Reigen der vielen gezeigten Filme war der deutsche Kinofilm "Outside The Box", in dem versucht wird, vier abgehobene Manager-Kollegen zu einem echten Team zu formen, wobei aber alles schief geht, was nur schief gehen kann.

Gut besucht waren neben den Publikumsmagneten "AMY" über das kurze Leben der Sängerin Amy Winehouse, "Men & Chicken" vom Team um "Adams Äpfel" oder "Gefühlt Mitte Zwanzig", den Regisseur Noah Baumbach persönlich vorstellte, auch die kleinen und experimentellen Filme. Auch der Eröffnungsfilm "Den Menschen so fern", zu dessen Aufführung Hollywood-Star Viggo Mortensen eigens angereist war, erwies sich als Publikums-Magnet. Die von einem Pay-TV-Sender gezeigte Serien-Reihe wurde auch in diesem Jahr fortgesetzt, in der wieder einige Schmankerl gezeigt wurden, die im kommenden Programm des Senders laufen sollen.

Auch das Kinderfilmfest war bestens besucht, und so konnte man früh morgens Horden von Kindern sehen, die das Gasteig gestürmt haben, um altersgerechte Filme zu sehen, wobei auch hier einige Weltpremieren dabei waren.

Sichtlich zufrieden konnte Festival-Chefin Diane Iljine zum Ende des Filmfests verkünden, dass trotz hochsommerlichen Wetters weder Biergarten noch Schwimmbad gewonnen haben, sondern mit 81.725 Besuchern erstmals die magische Besuchermarke von 80.000 geknackt wurde und somit einmal mehr das Filmfest die Publikumsgunst gewonnen hat! Auch bei den akkreditierten Fachbesuchern konnte ein Plus von sieben Prozent verzeichnet werden, so dass in diesem Jahr insgesamt 2572 Presse- und Branchenvertreter nach München gereist waren.

Wie auch im vergangenen Jahr waren die Spielstätten des Filmfestes über die Münchner Innenstadt verteilt, wobei ein großer Anteil der Filme in Stachus-Nähe in den City-Kinos sowie im Kino am Sendlinger Tor gezeigt wurden. Dennoch bemängelte manch Kinofreund, dass nicht alle Vorstellungen zeitlich so abgestimmt waren, dass man das nächste Kino rechtzeitig mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte erreichen können, und so auf den avisierten Anschlussfilm verzichten musste. Gut hingegen war, dass fast alle Filme mehrmals gezeigt wurden.

Neu war die Location für die Gespräche und Diskussionen mit Filmschaffenden, den "Filmmakers Live", die in den Vortragssaal der Bibliothek gezogen ist, so dass hier ungestört erzählt werden konnte. Das Kinderfilmfest hatte den Platz geräumt und so wurden fast alle Kinderfilme im deutlich größeren Carl-Orff-Saal präsentiert. Die Social Media Möglichkeiten wurden voll genutzt und sogar eine Filmfest-App für Android und iOS mit den wichtigsten Informationen zum Filmfest kam auf den Markt, um den Filmfans selbst unterwegs die Möglichkeit zu geben, im Programm zu blättern oder Tickets zu kaufen.

Die drei großen Preisträger Jean-Jacques Annaud, Alexander Payne und Rupert Everett waren gerne nach München gekommen, hatten Freude bei den Begegnungen mit ihrem Publikum oder der Vorstellung ihrer Filme und nahmen gut gelaunt ihre Auszeichnungen an.

Die große Hommage an die Filme und das Wirken des 1987 verstorbenen Künstlers Andy Warhol, "Warholmania", wurde in Ausstellungen und Filmen gefeiert, wobei unter anderem der Warhol-Streifen "San Diego Surf" gezeigt wurde, der Jahrzehnte lang als verschollen galt und erst 2012 im MoMA New York seine Premiere feierte.

Auszeichnungen gab es in fast allen gezeigten Film-Reihen. So gewann "Cavalo Dinheiro" als bester internationaler Film der CineMasters-Reihe den "ARRI/OSRAM Award", der von Wild Bunch Germany gestiftete CineVision Award für die beste internationale Regie-Entdeckung ging an "Sleeping Giant". Den in diesem Jahr erstmals vergebenen Kritiker-Preis erhielt "Schau mich nicht so an" aus der Reihe "Neues Deutsches Kino". Der Publikums-Preis von Bayern 3 und Süddeutscher Zeitung ging an "Projekt A", der Kinderfilmfest-Publikumspreis ging an die deutsche Produktion "Rettet Raffi!". Mit dem Bernd Burgemeister Produzenten-Preis wurde der Fernseh-Film "Der Fall Barschel" ausgezeichnet. Drei Förderpreise Neues Deutsches Kino gingen an "Babai" für Regie, Drehbuch und Darsteller, der vierte, der für die beste Produktion, ging an "Happy Hour".

Bis das diesjährige Filmfest am Abend des 04.07.2015 unter Swing-Klängen im Hof des Gasteig zu Ende ging, verabschiedete sich das Filmvolk mit dem Abschlussfilm "Das Märchen der Märchen", ein aufwendig besetzter, herausragend gefilmter Fantasy-Film, der durch wenige Dialoge und drei nebeneinander verlaufenden, aber vollkommen wirren Geschichten auffällt. Ein echter Hingucker und ein bleibendes Erlebnis!

Ganz klar ist jetzt schon: Die Filmfans können es kaum erwarten, bis das Filmfest München 2016 startet!

Pascal May