Kriminalpolizist Lennart Ipsen hat sich auf die beschauliche dänische Insel Bornholm versetzen lassen, um dem Stress auf dem Festland zu entkommen. Er will alles ruhiger angehen, denn die letzten Monate waren sehr herausfordernd. Er war nahe an einem Burnout, noch dazu frisch geschieden und er erhofft sich hier auf Bornholm, dass der Polizeialltag nicht mehr so fordernd sein wird. Er als hochdekorierter Kriminalpolizist wird nun Chef der Bornholmer Kripo. Lennart mietet sich ein Haus, welches ihm der Besitzer für ein Jahr überlässt, da dieser nach Kanada reist.
Die Bornholmer Kripo ist sehr überschaubar, denn er hat nur die Kolleginnen Britta und Tao, wobei Tao vorwiegend die Recherchen im Büro übernimmt und dies mit Begeisterung tut. Lennart hat sich einen ruhigen Start erhofft, aber gleich am zweiten Tag ruft ihn Britta an, dass eine „Schinkenleiche“ gefunden wurde. Er macht sich sofort auf den Weg zu einem Bauernhof, den er mithilfe des Navis doch relativ schnell finden kann. Als er aus dem Auto aussteigt, kommt ihm ein komischer Geruch nach Räucherware entgegen. Britta ist ebenso vor Ort und zeigt ihm die Leiche des ansässigen Bauern, der in einen Räucherofen gesteckt wurde und dort auch halb geräuchert oder besser verbrannt ist. Es ist kein angenehmer Anblick. Der Hof wird untersucht und es sieht hier alles sehr verwahrlost aus. Der Bauer lebte alleine und hatte nur noch Schweine auf dem Hof. Bei weiteren Recherchen erfahren die Ermittler, dass auf diesem Hof die besten Schinken der ganzen Insel geräuchert wurden. Aufgefunden wurde der Bauer von einem guten Freund. Dieser und noch zwei weitere Freunde haben sich einmal im Monat zu einem Segeltörn zum Angeln getroffen. Trotzdem kann niemand Hinweise auf irgendwelche Motive für einen Mord des Bauern liefern. Sicher ist nur, dass es ein Mord war. Lennart und Britta besuchen die Tochter des Toten, die eine Stunde vom Hof entfernt wohnt. Das Verhältnis war durchwachsen, da der Tote den Schwiegersohn nicht ausstehen konnte und daher seine Tochter nicht oft gesehen hat. Seine Tochter kann sich auch nicht erklären, wer ihren Vater umgebracht haben könnte. Lennart hat irgendwie überhaupt keinen Ansatz, wer es auf den Bauern abgesehen haben könnte. Nebenbei drängt ihn der vorherige Leiter der Kripo Bornholm dazu, ihn zu besuchen. Lennart hat aber überhaupt keine Lust dazu, denn dieser will nur etwas über den neuen Fall erfahren.
Tao durchforstet das Handy und den Laptop des Toten, und kann nur kryptische Hinweise finden, die die Polizei auch nicht weiterbringt. Verdächtig benehmen sich die Lieferanten des Schinkenbauerns, aber irgendwie kann Lennart keine weiteren Motive finden. So richtig stressig wird es für Lennart, als sich sein Vater und seine beiden Teenagertöchter für ein Wochenende ankündigen. Doch ausgerechnet jetzt findet er noch eine andere Richtung, in die er recherchieren kann, und dann passiert alles genau an diesem Wochenende, an dem er das Haus voller Besucher hat!
„Die Sonne über Gudhjem“ ist der erste Fall der Reihe um Lennart Ipsen auf Bornholm. Der Autor Michael Kobr reist sehr gerne und eines seiner Lieblingsziele ist eben die Insel Bornholm. Er veröffentlichte 2003 zusammen mit Volker Klüpfel den ersten Fall von Kommissar Kluftinger und eroberte auch 2022 mit dem zwölften Teil der Reihe Platz 1 der Bestsellerliste. Nun schreibt er alleine und wechselt dazu vom Allgäu auf die dänische Insel.
Michael Kobr ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt mit seiner Familie in Memmingen. Mittlerweile ist er hauptberuflich Autor und nicht mehr als Realschullehrer für Deutsch und Französisch tätig.
Der Bornholm-Krimi ist sehr schön zum Lesen, vor allem, da der Autor seine Leser sehr gut in die Gegend auf Bornholm einführt. So können die Leser zusammen mit dem Polizisten Lennart die Insel kennenlernen, wenn sie ihn begleiten, wie er sich an seiner neuen Wirkungsstätte einlebt, die Leute um ihn herum kennenlernt, und wir durch den Besuch der Familie auch die vorgestellt bekommen. „Sonne über Gudhjem“ ist ein sehr gelungener Wohlfühlkrimi eines routinierten Autors, der sich mit seiner Erzählung Zeit lässt. Erst zum Ende hin steigt die Spannung und präsentiert eine Auflösung, mit der man so nicht rechnen kann.
Kobr hat gezeigt, dass er auch alleine einen Krimi schreiben kann, der schnell seine Anhänger finden wird, und auf deren Fortsetzung man sich gerne freut. Ich zumindest war hellauf begeistert von diesem Auftakt eines neuen Ermittlers, und freue mich schon sehr auf viele weitere Fälle von Ipsen auf der wunderschönen Insel Bornholm!
416 Seiten, gebunden, Goldmann Verlag, 24 Euro.