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Die Wittelsbacher

Die Wittelsbacher-Brücke in München ist die Heimat der Heimatlosen. Hier lebt eine Gruppe Obdachloser „auf Platte“. Sie fristen ihr Dasein ohne Zukunft, ohne Aussicht auf Besserung, die meisten von ihnen sind gnadenlos dem Alkoholismus verfallen. Unter ihnen ist Theo (Wilfried Labmeier), der vor sieben Jahren durch Trunkenheit einen Autounfall verursacht hat, bei dem seine zehnjährige Tochter ums Leben kam. Diesen Schicksalsschlag konnte Theo nicht verwinden, weshalb er von seinem bisherigen Leben losgelassen hat und sich seinen Vorwürfen und seiner Hoffnungslosigkeit hingibt. Seine Freunde „auf Platte“ staunen eines Tages, als Alina (Laura Juds), ein zehnjähriges rumänisches Mädchen, bei ihnen Zuflucht sucht. Wie sich herausstellt, ist sie weggelaufen, um sexuellem Missbrauch zu entgehen. Die Tragik um das Mädchen und Theo, der sich letztlich um sie kümmert, schaukelt sich nach und nach hoch, als der Entführer und „Zuhälter“ der Kleinen immer wieder auftaucht und bei den „Pennern“ nach Alina sucht. Er verspricht Theos Freunden sogar Bargeld für die Herausgabe des Mädchens.
„Die Wittelsbacher“, von Stephan Hartwig und Bohdan Graczyk, ist ein Drama mit sozialem Hintergrund, ohne „Penner-Romantik“ und ohne Beschönigung irgendwelcher Umstände. Die beiden Autoren haben selbst experimentell einige Wochen unter der Wittelsbacher-Brücke mit Obdachlosen gelebt, um zu erfahren, wie das Leben „auf Platte“ wirklich ist. So ist die manchmal erschreckende Authentizität und die Lebensnähe des Filmes zu erklären, der sich um soziale Schicksale, deren Ursachen und kleine aber schwerwiegende Episoden unseres städtischen Alltags dreht. Die Tatsache, dass der Film ohne die üblichen hohen Etats produziert wurde, lässt über das Ergebnis staunen. „Die Wittelsbacher“ ist ein Kino-Geheimtipp der Extraklasse – nicht nur für Münchner.

Alex W. Würth