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Mordkommission – Wenn das Grauen zum Alltag wird

Oft hat die Polizei nichts zu lachen, bei der Mordkommission schon gar nicht: Richard Thiess berichtet von Fällen während seiner Zeit als Leiter der Mordkommission und stellvertretendem Kommissariatsleiter im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums München.
Sein dritter Einsatz bei der Mordkommission machte ihm sehr schnell klar, mit welcher unglaublichen und menschenverachtenden Brutalität er es zu tun haben würde. Beispiele dafür hat er genügend, und berichtet davon in seinem Buch „Mordkommission – Wenn das Grauen zum Alltag wird“, das neu erschienen ist.
Die Klassenlehrerin einer Grundschule hat ihre Schülerin vermisst und sie dann auf der Toilette am Boden kauernd vorgefunden. Das Mädchen rührte sich nicht und gab keine Antwort, daher rief die Lehrerin dann doch die Eltern an und diese gingen dann sofort mit ihr zum Kinderarzt. Es stellte sich dabei heraus, dass die Erstklässlerin auf brutalste Weise missbraucht und gedrosselt wurde. Es grenzte an ein Wunder, dass die Schülerin diesen Überfall überlebt hat. Daraufhin wurde die Mordkommission eingeschaltet, da es ja versuchter Kindsmord war. Richard Thiess und seine Kollegen sperrten sofort den Bereich ab, und alle Einsatzkräfte sowie die Spurensicherung waren nun auf Täterfindung. Aufgrund der Aussage des Mädchens konnten sie sofort einen Tatverdächtigen vernehmen, es stellte sich aber heraus, dass er nicht der Täter sein konnte. Fast zeitgleich ergab sich eine weitere Spur, die mit dem Auffinden der Trinkflasche des Mädchens und eines Sweatshirts mit Aufdruck im Zusammenhang stand. Als dann zehn Wochen später eine junge Frau äußerst brutal vergewaltigt wurde, war anhand des DNA-Vergleichs schnell klar, dass es derselbe Täter war. Alle waren sehr erleichtert, dass der Täter jetzt gefunden war, nachdem die Polizisten einige herbe Rückschläge bei der Ermittlung hinnehmen mussten. Bei seiner Vernehmung gestand der Festgenommene die ihm zur Last gelegten Taten. Er wurde zu einer langjährigen Jugendstrafe verurteilt.

Richard Theiss erläutert in seinem Buch auch, dass die Vernehmung immer noch der wichtigste Punkt ist, um an ein Geständnis des Täters zu kommen. Es reicht daher bei der Aufklärung von Verbrechen nicht nur der genetische Fingerabdruck, denn da kann oft vorschnell falsch gehandelt werden.
Der Autor beschreibt auch den Dienstablauf in einer Mordkommission, und was es heißt, von Montag 7:15 Uhr bis Montag 7:15 Uhr „Mordbereitschaft“ zu haben. Man ist stets erreichbar, und bei unruhigem Dienst kann es dann schon vorkommen, dass man nicht viel zum Schlafen kommt.

Natürlich kommt auch immer wieder die Frage: „Du, wie wird man Mordkommission?“, die er ebenso routiniert beantwortet: In einer Mordkommission arbeiten normale Kriminaler oder auch Beamte, die irgendwann mal im Streifendienst tätig waren. Man sollte noch dazu Spezialist auf allen möglichen Bereichen, wie Rechtsmediziner, Schriftgutachter, Physiker sein, sowie Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen und auch Geduld und Ausdauer haben.

Richard Thiess wurde 1952 geboren und verpflichtete sich nach dem Abitur für zwei Jahre bei der Bundeswehr. Im Alter von 24 Jahren erfolgte dann der Wechsel zur Polizei. Er war nach der Ausbildung im Streifendienst als Zivilfahnder tätig, und absolvierte dann 1982 einen Kurs für den Wechsel zur Kriminalpolizei, dem sich ein zweijähriges Studium für den gehobenen Kriminaldienst anschloss, gefolgt von einer dreijährigen Dienstzeit beim Kriminaldauerdienst. Er war 13 Jahre lang stellvertretender Leiter eines Kriminalkommissariats und wechselte dann 2001 zur Mordkommission, wo er als Erster Kriminalhauptkommissar nun schon die fünfte Mordkommission leitet.

In „Mordkommission – Wenn das Grauen zum Alltag wird“ erzählt Richard Thiess von Mordfällen, in die er aufgrund seiner Position und seiner Erfahrung einen sehr genauen Einblick hat und über den Ablauf zur Ermittlung und Aufklärung eines Verbrechens Auskunft geben kann. Er zeigt auch auf, dass neben den DNA-Spuren auch die Vernehmung ein wichtiger Punkt zur Täterfindung ist. Seine Fälle sind bis ins kleinste Detail dargestellt und da kann es schon mal passieren, dass man nach deren Lektüre schlaflose Nächte bekommt. Wer aber erst einmal mit dem Lesen begonnen hat, kann nicht wieder aufhören, da der Leser einen detaillierten Einblick in eine Mordkommission erhält, wie es wirklich ist. Sehr spannend und leicht verständlich geschrieben, macht „Mordkommission – Wenn das Grauen zum Alltag wird“ süchtig nach mehr. Doch sehr schnell wird klar, dass der Fernseh-Krimi nur wenig mit dem echten Ermittler-Leben zu tun hat.

Gudrun Loher
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