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Himmelblau und Rabenschwarz / Sind sie nicht süß?

Wenn man heutzutage die Zeitungen aufschlägt, sind diese voll mit den unterschiedlichsten, meist sehr persönlichen Geschichten und Schicksalsschlägen fremder Menschen. Dies scheint auch ein momentaner Trend bei diversen, neu erschienenen Romanen zu sein. Zwei dieser Romane, zum einen „Himmelblau und Rabenschwarz“ von Lolly Winston und zum anderen „Sind sie nicht süß?“ von Judith Newman, haben durchaus Gemeinsamkeiten in dieser Thematik, beide schildern einen relativ knappen Erzählzeitraum von einem beziehungsweise zwei Jahren und jeweils ein alltägliches Problem aus der Sicht der Hauptpersonen. Lolly Winston beschreibt das Schicksal einer jungen Frau nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes und Judith Newman setzt sich mit dem Problem „Kinderwunsch“ auseinander.

Der Roman „Himmelblau und Rabenschwarz“ von Lolly Winston ist eine sehr schöne und lebensnahe Erzählung über die 36jähringe Sophie Stanton, die erst drei Monate nach dem Krebstod ihres Mannes Ethan zu realisieren beginnt, dass ihr geliebter Mann unwiederbringlich aus ihrem Leben verschwunden ist und daraufhin alle nur erdenklichen Phasen der Trauerbewältigung durchlebt. Ob die PR-Managerin nun im Bademantel und Häschenhausschuhen zur Arbeit erscheint, oder die halbe Wohnungseinrichtung anstatt der von ihrer Schwiegermutter ausrangierten Kleidung ihres verstorbenen Mannes verschenkt, sie bekommt ihr ehemals geordnetes Leben nicht allein in den Griff. Erst als ihr Vater vorübergehend bei ihr einzieht, sich um sie kümmert und sie gleichzeitig von ihrer Firma zu unbezahltem Urlaub genötigt wird, wird sie sich langsam ihres desolaten Zustandes bewusst und fängt an, sich Gedanken über ihre weitere Zukunft zu machen. Ihre beste Freundin Ruth, die sie bereits seit ihrer Schulzeit kennt, macht ihr das Angebot vom unpersönlichen Silicon Valley zu ihr in die Provinz nach Ashland, Oregon, zu ziehen, welches sie nach einigem Zögern annimmt. Sie bricht ihre Zelte in San Jose ab, verkauft ihr Haus und zieht zu Ruth, ohne Job und Wohnung, um noch mal von vorn anzufangen. Doch auch nach dieser Entscheidung verfolgt sie der Tod ihres Mannes und sie erkennt, dass das Trauern noch lange nicht beendet ist. Eine Selbsthilfegruppe, ihr eigenes neu angemietetes Haus und die Anstellung als „Salaterin“ in einem kleinen Restaurant und eine freiwillige Patenschaft für ein schwer erziehbares Kind bringen sie langsam wieder in ein normales Leben zurück. Trotz einiger Rückschläge lernt sie nach und nach mit dem Leben nach Ethan umzugehen und sogar der Gedanke an eine neue Partnerschaft schleicht sich in ihr neues Leben ein. „Himmelblau und Rabenschwarz“ ist sehr realistisch und gnadenlos ehrlich erzählt, so dass man sich selbst durchaus in besagten Häschenhausschuhen und Bademantel vorstellen könnte.
„Sind sie nicht süß?“ von Judith Newman befasst sich hier schon mit dem im Prinzip angenehmeren aber dennoch oft schwierigen Thema des Kinderwunsches. Der Roman ist in einer Tagebuchform verfasst und erzählt das Leben der Yuppie-Frau Judith, verheiratet mit dem um 25 Jahre älteren John. Judith ist eine erfolgreiche Autorin und Redakteurin, während John ein pensionierter Opernsänger ist. Nach sechs erfolglosen Jahren ein Baby zu bekommen, welche sie sehr detailliert in ihren Aufzeichnungen festhält, und mehreren Fehlgeburten, unternimmt die mittlerweile knapp 40jährige einen letzten Versuch in Form einer künstlichen Befruchtung, um dem vermeintlichen Babyglück doch noch auf die Sprünge zu helfen. Womit die erfolgsverwöhnte Frau jedoch nicht rechnet: sie wird tatsächlich schwanger und zwar mit Zwillingen, ihrem persönlich größten Albtraum. Ihr Mann John, der ohnehin nicht ernsthaft an einer so späten Schwangerschaft interessiert war, ist auch nicht in der Lage wirkliche Begeisterung für die anstehende Veränderung in ihrem Leben zu zeigen. Nach einer für jede Frau katastrophale Schwangerschaft, die sie zwischen Übelkeit und Krankenhaus verbringt, kommen die Zwillinge Augustus und Henry deutlich zu früh auf die Welt und müssen die erste Zeit in der Klinik aufgepäppelt werden. Mit der Zeit muss Judith erkennen, dass zwei Kinder auf einmal auch doppelt so viele Probleme mit sich bringen und jede Menge Geld kosten. Ebenso findet Judith heraus, dass sie selbst Verhaltensmuster an den Tag legt, die ihr vorher als kinderloser Yuppie-Frau völlig fremd waren und mit denen sie sich selbst jetzt nur schwer identifizieren kann. Auch die Tatsache, dass sich John immer mehr von ihr zurückzieht, er hat eine eigene Wohnung und übernachtet nur noch sporadisch bei Judith und den Kindern, und sie nicht in der Lage ist sich allein um die Kinder zu kümmern, machen ihr zu schaffen. Bald muss sie erkennen, dass die Entscheidung, mit vierzig noch Kinder in die Welt zu setzen, vielleicht nicht wirklich gut überlegt war und sie schwankt in ihren Überlegungen zwischen der Liebe zu ihren Kindern und ihrem früheren angenehm bequemen Leben hin und her. Judith Newman erzählt hier ihre eigene Geschichte zum Teil sarkastisch, aber doch mit einer ordentlichen Portion Selbstironie und genau diese Authentizität macht diesen Roman zu einer gelungenen Abwechslung.

Beide Geschichten sind durch ihren kurzen Erzählzeitraum sehr detailgetreu erzählt, wodurch man sich leicht in die Materie hineinversetzen kann. Mitfühlende und kurzweilige Momente sind hier garantiert.

Michaela Straube