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Furcht: Trump im Weißen Haus

Der Journalist Bob Woodward ist in der US-Presse eine Institution. Seine mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Recherchen, die er zusammen mit Carl Bernstein zum Einbruch im Watergate-Hotel durchgeführt hat, ließen US-Präsident Richard M. Nixon zurücktreten und erschütterten die Nation. Im Rahmen der Berichterstattungen rund um 9/11 erhielt er als Chefreporter der "Washington Post", für die er seit nunmehr 47 Jahren arbeitet, einen zweiten Pulitzer-Preis. Für jedes seiner bisher 18 Bücher hat er intensiv recherchiert und so brisante Fälle beleuchtet, längst ist er die Ikone des investigativen Journalismus. Außerdem hat er Biographien über vier US-Präsidenten verfasst, die er allesamt aus der Nähe beobachtet hat.

Mit "Furcht" zeigt er nun den Beginn der Regierungszeit von Donald Trump auf und hat dafür unzählige Gespräche mit Vertrauten des Präsidenten und engen Mitarbeitern des Weißen Hauses geführt. Hunderte von Interviews hat er geführt, persönliche Aufzeichnungen, Tagebücher und Notizen, die ihm überlassen wurden, hat er akribisch ausgewertet. Nur einer wollte ihm erst ein Interview geben, als das Buch bereits fertig war: der US-Präsident selbst.

Der Titel seines 19. Buches stammt von Donald Trump selbst, als er während seines Wahlkampfes gefragt wurde, was Macht für ihn bedeutet: "Echte Macht ist, ich will das Wort fast nicht gebrauchen, Angst".

Nachdem Woodward Anfang August über die "Post" verkünden ließ, dass er an einem Buch über Trump arbeite, das in den USA im September erscheinen würde, stieg das Buch gleich auf Platz eins der Vorbesteller-Charts ein. Der Verlag hat vorsorglich eine Million Exemplare drucken lassen.
Der Autor steht eben seit Jahrzehnten für sauber recherchierten Qualitätsjournalismus. Damit sticht sein Buch aus der Reihe der bisherigen Bücher über den aktuellen US-Präsidenten heraus, denn Woodward kann alles, was er schreibt, auch belegen.

Schon vor Erscheinen des Buchs in den USA waren Details bekannt geworden, darunter, dass Trump "unkonzentriert, selten bei der Sache" sei, "emotional überdreht". Seine engsten Berater würden wichtige Dokumente vor ihm verstecken, um seine "schlimmsten Impulse" zu stoppen und Schlimmeres zu verhindern.

Nun liegt "Fear: Trump in the White House", so der Originaltitel, auch in der deutschen Übersetzung vor. Gleich 13 Übersetzer waren damit beschäftigt, das Buch so schnell wie möglich ins Deutsche zu übersetzen, um es zeitnah auf den Markt bringen zu können, und damit hat es sogar rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse geklappt, der weltweit größten Bücherausstellung.

Auf 512 Seiten kann nun jeder selbst nachlesen, wie sich der amtierende US-Präsident verhält, wie er denkt, und was seine engsten Mitarbeiter über ihn denken und mit ihm machen. So erfährt man, dass er selbst seine loyalsten Unterstützer niedermacht, wenn sie nicht das von sich geben, was er sich gewünscht hätte. Gegenüber Fakten und Ratschlägen ist Trump resistent, selbst wenn sie ihm belegt werden. Seine Aufmerksamkeitsspanne ist recht kurz, vor allem, wenn ihn ein Thema nicht interessiert, er ist sprunghaft und so kommt es vor, dass er sich plötzlich einem ganz anderen Thema zuwendet, das ihm besser gefällt. Er verfällt oft in schlechte Laune und ärgert sich über Kleinigkeiten. Natürlich wird auch Trumps Familie genauer unter die Lupe genommen, welchen Einfluss vor allem seine Tochter und deren Mann haben (sehr groß), und wie gut sein Verhältnis zu seiner Ehefrau ist (kaum vorhanden). Auch die häufigen unbedachten Tweets des US-Präsidenten werden in diesem Buch immer wieder thematisiert, von dem ihn seine Berater regelmäßig abzubringen versuchen, wobei auch ungeschönt aufgezeigt wird, wie gefährlich diese spontanen Kurznachrichten für die politische Lage in der Welt sind.
Woodward erzählt in seinem Buch auch von Soldaten- und Veteranen-Familien, die sich weigerten, sich mit Trump zu treffen oder ihm auch nur die Hand zu geben. Der übersichtliche Wortschatz des US-Präsidenten und seine fast schon kindliche Sicht auf viele Dinge werden dabei ebenso dargestellt wie seine Wutanfälle im Oval Office oder in der Air Force One.

Nachdem man das Buch voller dramatischer Fakten gelesen hat, überkommt den Leser auch die titelgebende Furcht. Und zwar vor einem machtbesessenen Politiker, der nur in Extremen denkt, über keinerlei diplomatisches Gespür verfügt und keine anderen Meinungen gelten lässt, die von seiner abweichen.

Auch mit "Furcht: Trump im Weißen Haus" zeigt Bob Woodward, dass er weiterhin eine schreibende Ikone ist, die die Welt so dringend braucht. Der 74-jährige zeigt schonungslos auf, was sich mit Trumps Einzug im Weißen Haus verändert hat, und dass die Vereinigten Staaten, die jahrzehntelang verlässlich die westliche Welt angeführt haben, mit diesem Präsidenten kaum mehr regierbar sind.

Dieses hervorragend recherchierte und bestens geschriebene 19. Buch Woodwards ist jedem politisch interessierten Menschen zu empfehlen, der harte und belegbare Fakten sogenannten Fake-News und halbgaren Geschichten vorzieht. Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, dessen Lektüre sich auf jeden Fall lohnt und einen ungeschönten Blick hinter die Kulissen der US-Regierung gibt.

Pascal May